In vino futura

von August Modersohn & Sindi Braho

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Ersol Caco ist anders. In seinen ersten Semesterferien hätte er an den Strand fahren können, so wie das fast alle Albaner machen. Doch er ist dahin gefahren, wo fast kein Albaner hinwill: aufs Land, ins Nirgendwo. Um seiner Familie bei der Weinlese zu helfen.


Aufgewachsen ist Ersol Caco in Grabovicë, einem winzigen Dorf im Südosten des Landes. Nach der Schule hat er das geschafft, wovon alle Albaner träumen: nach Tirana zu ziehen. Dort hat er studiert, Lebensmitteltechnologie. Grabovicë und Tirana trennen gerade einmal zwei Autostunden – gefühlt liegen aber Welten zwischen beiden Orten. Tirana, das ist die Stadt der Freiheit, in der es alles gibt. Und Grabovicë, das ist das Dorf, in dem es vor allem eines gibt: Chancenlosigkeit.

Doch nach seinem Master-Abschluss 2014 ist Ersol Caco aus der Hauptstadt zurück aufs Land gezogen, in seinen Geburtsort Grabovicë. Sein Ziel war immer, das Weingut seiner Familie zu übernehmen.

Die meisten Albaner wollen genau das Gegenteil dessen, was Ersol Caco gemacht hat. Sie wollen weg aus den Dörfern. 2016 lebten nur 42 Prozent der Albaner auf dem Land, 2002 waren es noch 56 Prozent. „Ich möchte etwas gegen diesen Trend unternehmen“, sagt Ersol Caco. Seine Lösung: Wein.

Viele junge Leute ziehen in die Städte, weil es auf dem Land zu wenig Arbeit gibt. Ersol Caco sagt: „Wenn ich mit meinem Weingut wachse, dann entstehen Arbeitsplätze in der Region.“ Derzeit bezieht die Familie ihre Trauben von einem Dutzend Bauern aus der Umgebung. Die Cacos haben auch eigene Reben, die reichen aber nicht.


Weinbau liegt in der Tradition der Cacos. Schon Ersols Urgroßvater besaß Weinberge, doch während der Zeit des Kommunismus wurde die Familie enteignet. 1991 bekam Ersols Vater das Land zurück, seitdem gibt es wieder Caco-Wein.

Die Trauben für den Caco-Wein kommen von Weinbergen aus dem Südosten Albaniens, zehn Kilometer vom Ohrid-See entfernt.
Familie Caco bezieht die Trauben von rund einem Dutzend Bauern aus der Region.
Aus diesen Pamid-Trauben macht die Familie rund 3000 Flaschen Rosé im Jahr.
Ein albanischer Brauch: Der Löffel soll die Reben vor Unglück wie Insekten schützen.
Vater und Sohn: Ersol Caco, 27, wird seinen Vater Nezhdet bald beerben.

Albanien gilt als eine Wiege der europäischen Weinkultur. Und doch spielt albanischer Wein heute selbst in Albanien keine große Rolle. Viele haben zu Hause zwar selbst ein paar Weinstöcke. Aus den Trauben stellen sie aber meistens „Raki rrushi“ her, einen traditionellen Schnaps.

Auch wenn die Zahl der albanischen Weingüter in der vergangenen Jahren gestiegen ist, die Albaner selbst trinken lieber ausländischen Wein.

So verteilt sich der in Albanien getrunkene Wein.

Ersol Caco glaubt jedoch an das Potenzial seines Weins – und er ist erfolgreich: Beim Wettbewerb „Albanian Best Sommelier 2017“ wurde er Dritter. Derzeit plant er, sein Weingut zu vergrößern. Geld dafür will er bei der Regierung beantragen. Die bezuschusst landwirtschaftliche Unternehmen, um die Wirtschaft in dörflichen Regionen zu stärken. Gerade erst hat das Weingut Caco für neue Geräte umgerechnet 100.000 Euro vom Staat bekommen.

Bald wird Ersol Caco das Weingut von seinem Vater übernehmen. Und was, wenn er später einmal Kinder haben wird? „Dann wäre mein größter Wunsch, dass auch sie die Tradition fortführen.“